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Prognosen - viel heiße Luft?


UMFRAGEINSTITUTE kommen zur Bundestagswahl zu unterschiedlichen Ergebnissen. Wird da gewürfelt . . .?

Von Günther Hörbst

Hamburg - Was soll man nun davon halten? Die neueste Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen sieht die SPD im Aufwind, traut ihr 36 Prozent zu. Die Union dagegen stagniert bei 39 Prozent. Das Emnid-Institut meldete am selben Tag: Aufschwung für die Union von 38 auf 40 Prozent, Stagnation der SPD bei 35 Prozent. Das Allensbach-Institut vom Bodensee hat wieder andere Pegelstände: Die Sozialdemokraten dümpeln da bei 32,2 Prozent.

Was stimmt denn jetzt? Hat des Kanzlers Truppe neuen Schwung gewonnen, oder ist die Wahl für Stoibers Reihen schon so gut wie gelaufen? Eigentlich sollten uns die zahlreichen Wahlumfragen die exakte Anwort darauf liefern. "Um ein paar Prozentpunkte Abweichung bei den veröffentlichten Zahlen geht es doch nicht", grummelt Manfred Güllner, Chef des Berliner Forsa-Instituts. "Die Tendenz ist wichtig." Und da, so der Demoskop, sähen alle fünf großen Umfrageinstitute die Union bei 39 bis 41 Prozent und die SPD bei 35 bis 36 Prozent.

Das Problem von Wahlumfragen ist aber genau jene Exaktheit, die der Bevölkerung in den Medienveröffentlichungen vorgegauckelt wird. Schon aus mathematisch-statistischen Gründen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Bei Wahlumfragen werden in der Regel zwischen 1000 und 2000 Personen interviewt. Wird dabei das Ergebnis für eine der beiden Großparteien genannt, kann der Wert um bis zu plus/minus drei Prozent abweichen, bei den kleinen Parteien um zwei Prozent. Ehrlicherweise müssten die Umfragewerte also immer mit diesen Schwankungen veröffentlicht werden.

"Wahlvorhersagen sind der reine Schwindel", schimpfte deshalb vor der Bundestagswahl 1994 der Wuppertaler Mathematiker Fritz Ulmer. "Sie sind ein wissenschaftlich verbrämtes Orakel der Neuzeit." Solche Vorwürfe mögen sich die Demoskopen nicht gefallen lassen. Sie verweisen auf ihre ausgefeilten Umfragemethoden, deren Ergebnisse sie mit Hilfe der Mathematik zu Prognosen verarbeiten.

So richtig in die Karten will sich jedoch kein Institut blicken lasssen. Manche Methode wird da so streng gehütet wie das Rezept von Coca-Cola. So viel ist aber bekannt: Die Interviews werden telefonisch geführt. Ausnahme Allensbach: Das Institut schickt noch Interviewer durchs Land, um direkt mit den Menschen zu sprechen. "Diese Methode ist einfach exakter", erklärt Allensbach-Forscher Dr. Edgar Piel. Wie schaffen es die Wahlforscher aber, dass die Antworten von 1000 Befragten für die Einstellung von 60 Millionen Wahlberechtigten gelten?

"Man zieht eine repräsentative Stichprobe aus der Bevölkerung", sagt Forsa-Chef Güllner. "Das heißt, jeder Wahlberechtigte in Deutschland muss dieselbe Chance haben, in die Auswahl zu kommen." Trifft das zu, repräsentiert die Stichprobe neben dem Wahlergebnis auch die sozialstrukturelle Zusammensetzung der Bundesrepublik - und kann somit auf die Gesamtheit hochgerechnet werden. Dennoch lagen die Demoskopen teilweise weit daneben, wie etwa bei der Bundestagswahl 1998, als sich Forsa um drei Prozentpunkte bei der Union verschätzte. Die knapp 20 Prozent der Schill-Partei bei der letzten Hamburg-Wahl hat ebenso alle schwer überrascht. Was bringen die Werte also?

Güllner räumt ein, dass damit viel psychologische Kriegsführung im Wahlkampf betrieben wird. Aber deshalb hält er die Umfragen nicht für überflüssig. "Man kann lückenlos Meinungsbildungsprozesse aufzeichnen und die Reaktionen von Menschen auf bestimmte Ereignisse nachzeichnen." Der Forsa-Chef wehrt sich auch gegen das Image des Propheten: "Wir sagen nichts vorher, sondern geben eine politische Stimmung wieder."

Ob die veröffentlichten Zahlen das Wahlverhalten letztlich stark beeinflussen, ist umstritten. Forsa führt gerade eine Studie durch, die das herausfinden soll. In Frankreich und Großbritannien sind Wahlumfragen kurz vor der Wahl seit langem verboten, um der Gefahr von vornherein zu entgehen.

"Wahlvorhersagen sind der reine Schwindel."

erschienen am 1. Jul 2002 in Politik, Hamburger Abendblatt.

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