Notariell beglaubigte Wahlprognose von Emnid

Emnid (Datenzulieferer n-tv und Focus) nimmt es mit der Genauigkeit von Umfragen tierisch ernst. Wie eine Prognose mit 90% Wahrscheinlichkeit aussieht, hat sich Emnid notariell beglaubigen lassen - einen Tag vor der Bundestagswahl:

Das war anno 1987, als Emnid noch den SPIEGEL belieferte. DIE ZEIT meinte dazu in einem Artikel "Hellsehen wäre billiger", man hätte ebenso gut notariell beglaubigen können, Bundeskanzler Kohl wiege zwischen hundert und zweihundert Kilo.

Die notariell beglaubigte Wahlprognose erschien natürlich nicht im SPIEGEL, dort wurden splitternackte Prozentzahlen ohne notariell beglaubigte Anstands-Toleranzgrenzen präsentiert, genau so wie das heute von FOCUS und n-tv praktiziert wird.

Wenn man die für Prognosen übliche Wahrscheinlichkeit von 95% (t=1,96) zugrunde legt, dann vergrößern sich die Fehler um einen Fünftel (20%) und das Resultat hätte wie folgt notariell beglaubigt werden dürfen:

CDU/CSU SPD FDP Bündnis90/Grüne
41,6 - 49,8% 32,1 - 41,9% 5,4 - 10,6% 5,4 - 10,6%

 


Die neueste Emnid-Umfrage - richtig gelesen!

Der Nachrichtensender n-tv hat am 16. September 2002 Umfrageergebnisse des Instituts Emnid zur Sonntagsfrage veröffentlicht, die in Focus wie ein doppelseitiges Plakat ausgebreitet wurden. In beiden Medien wurden wie üblich splitternackte Prozentzahlen vermarktet und interpretiert - Zahlenprostitution in Reinkultur.
Richtig gelesen sehen diese Ergebnisse so aus:

CDU/CSU SPD Bündnis90/Grüne FDP PDS
34,6 - 39,4 36,6 - 41,4 5,8 - 8,2 6,8 - 9,2 3,8 - 6,2

Man kann dies mit Hilfe der Mißerfolgs-Statistik von Umfragen verifizieren. Man gibt in der Input-Spalte (linke Seite der Tabelle) die im von Emnid angeführten Parteistärken (CDU/CSU 37, SPD 39, FDP 8, Grüne 7 und PDS 5 Prozent) ein. Im Block oben rechts gibt man als "Anzahl der Wahlberechtigten pro Umfrage" 3518 an und setzt für die Wahlbeteiligung die üblichen 80% ein. Für die Anzahl der Umfragen wähle man zunächst 1000 - bei größeren Zahlen kann die Berechnung sehr lange dauern. Mit "LOS" wird die Simulation gestartet. In der unteren Tabellenzeile "Mißerfolgsstatistik" kann man das Resultat der Simulation detailliert ablesen. Es zeigt sich, daß etwa 88% der Umfragen die Toleranzen von +/- 2% für die großen und +/- 1% für die kleinen Parteien einhalten. Aber jede neunte Umfrage weist für mindestens eine Partei größere Abweichungen auf.
Genauere Ergebnisse kann man der Tabelle unten auf dieser Seite entnehmen: Es zeigt sich, daß etwa 95% der Umfragen die Toleranzen von +/- 2,4% bzw. +/- 1,2% einhalten. Aber 5% der Umfragen schaffen nicht einmal das. Mit anderen Worten: In jeder 20. Umfrage ist der Fehler für eine große Partei größer als +/- 2,4% oder für eine kleine Partei größer als +/- 1,2%!

 

Scherzfrage: Wie viele von 100 Umfragen schaffen es, die von Infratest-Dimap vermarkteten Parteistärken (CDU/CSU 37, SPD 39, FDP 8, Grüne 7 und PDS 5 Prozent) zu treffen?

Scherzfrage: Wie viele von 10000 Umfragen schaffen es, die von Infratest-Dimap vermarkteten Parteistärken (CDU/CSU 37, SPD 39, FDP 8, Grüne 7 und PDS 5 Prozent) zu treffen?

Maximale Abweichung
eingehalten von
für große Parteien für kleine Parteien (in Prozent von 100000 Umfragen)
1,0% 0,5% 29%
1,2% 0,6% 44%
1,4% 0,7% 59%
1,6% 0,8% 71%
1,8% 0,9% 81%
2,0% 1,0% 88%
2,2% 1,1% 93%
2,4% 1,2% 96%
2,6% 1,3% 98%
2,8% 1,4% 98,9%
3,0% 1,5% 99,4%
3,2% 1,6% 99,7%
3,4% 1,7% 99,9%
>3,4% >1,7% 0,1%
Grundlage der Simulation: 100000 Wiederholungen, Parteistärken laut Emnid, ebenso Sichprobenumfang (3518) und Wahlbeteiligung (80%).