Am 6. Mai 2003 wurden vom stern Umfrageergebnisse von Forsa zur Sonntagsfrage veröffentlicht. Aus Kosten- und Zeitgründen kann nur ein winziger Bruchteil Wahlberechtigten befragt werden. Forsa hat vom 24. bis 30. April 1194 Wahlberechtigten befragt, deren Telefonnummern ausgelost wurden. Das Umfrageergebnis lautet
Union 38%, SPD 37%, Grüne 14%, FDP 4%, Sonstige (DVU, PDS usw.) 7%
Offensichtlich ist es nicht repräsentativ für alle Wahlberechtigten, denn es hängt es davon ab, welche 1194 Wahlberechtigte ausgelost wurden. Verschiedene Auslosungen führen zu verschiedenen Ergebnissen. Für jede Partei gibt es deshalb nicht eine Prozentzahl, sondern ein ganzes Band von möglichen Prozentzahlen. Welche Prozentzahl die richtige ist, läßt sich nicht feststellen. Für die Beurteilung des Informationswertes einer Umfrage ist es daher unerläßlich, diese Bandbreite für jede Partei zu kennen. Dies läßt sich mit Hilfe einer Computersimulation erreichen. Das Umfrageergebnis lautet dann nicht wie im stern verbreitet, sondern
CDU | SPD | Bündnis90/Grüne | FDP | Sonstige |
32,8 - 43,2 | 31,8 - 42,2 | 11,4 - 16,6 | 1,4 - 6,6 | 4,4 - 9,6 |
(Berechnungsgrundlage: Wahlbeteiligung 60% (wie 1999), Sicherheitswahrscheinlichkeit 95%. Die weit größeren Fehlerquellen - wie z.B. falsche Angaben, Antwortverweigerung, erfolglose Kontaktversuche usw. - sind dabei nicht berücksichtigt.)
Wie man sieht, verkörpert das Umfrageresultat ein wahres demoskopisches
Schlaraffenland. Es macht alle Parteien wunschlos glücklich. Zunächst
bestätigt es die Möglichkeit einer großen Koalition. Doch wer
braucht dafür eine Umfrage? Die CDU sieht sich mit gebührendem Abstand
hinter der SPD, sodaß Henning Scherf als Bügermeister nicht vom Sockel
fällt und die große Koalition weiterknobeln darf. Die SPD - jedenfalls
Henning Scherf und seine Anhänger - lesen das Umfrageergebnis genau so.
Die Grünen hingegen fühlen sich mit 16,6% bärenstark und sehen
die SPD deutlich hinter der CDU, was Henning Scherf vom Sockel haut und die
große Koalition zum Platzen bringt und Grünrot zur Macht verhilft.
Auch die FDP feiert mit dem Umfrageergebnis ihre Wiederauferstehung: Mit 6,6%
schafft sie locker die 5%-Hürde und da die CDU auf 43,2% kommt, wird Bremen
endlich von Schwarzgelb saniert. Auch der grüne Teil der SPD - der nicht
so scherf auf Henning ist - beerdigt mit dem Umfrageergnis die große Koalition
und bringt Rotgrün an die Macht - z.B. Grüne 12%, SPD 38%, CDU 39%
und die Sonstigen wie FDP, DVU und PDS unter 5%.
Im stern werden neuerdings "Lotterieschäden" zugegeben und
dafür eine Fehlertoleranz von +/-3% eingeräumt. Das Eingeständnis,
daß die tatsächlichen Parteistärken um plus oder minus 3% vom
Umfrageergebnis abweichen können, hat zur Folge, daß die Umfrage-Ergebnisse
im stern in der folgenden Form
CDU | SPD | Bündnis90/Grüne | FDP | Sonstige |
35 - 41 | 34 - 40 | 11 - 17 | 1 - 7 | 4 - 10 |
Die in der gelben Tabelle angegeben Fehler, die durch die Zufallsauswahl der befragten Wahlberechtigten verursacht werden, kann man auch als Laie mit Hilfe der Mißerfolgs-Statistik von Umfragen verifizieren. Man gibt in der Input-Spalte (linke Seite der Tabelle) die von Forsa angeführten Parteistärken
CDU/CSU 38, SPD 37 FDP 4, Grüne 14 und Sonstige 7 Prozent
ein. Im Block oben rechts gibt man als "Anzahl der Wahlberechtigten pro Umfrage" 1194 an - soviele Wahlberechtigte wurden befragt - und setzt für die Wahlbeteiligung die 60% ein, wie dies 1999 der Fall war. Für die Anzahl der Umfragen (Auslosungen) wähle man zunächst 1000 - bei größeren Zahlen kann die Berechnung sehr lange dauern. Mit "LOS" wird die Simulation gestartet. In der untersten Tabellenzeile der "Mißerfolgsstatistik" kann man das Resultat der Simulation ablesen. Es zeigt sich, daß etwa
3% der Umfragen (Auslosungen) die Toleranzen von +/- 1% für die großen Parteien und +/- 0,5% für die kleinen einhalten
25% der Umfragen (Auslosungen) die Toleranzen von +/- 2% für die großen Parteien und +/- 1% für die kleinen n einhalten
59% der Umfragen (Auslosungen) die Toleranzen von +/- 3% für die großen Parteien und +/- 1,5% für die kleinen einhalten
82% der Umfragen (Auslosungen) die Toleranzen von +/- 4% für die großen Parteien und +/- 2% für die kleinen einhalten
Genauere Resultate kann man der untern angeführten Tabelle entnehmen. Man sieht, daß knapp 95% der Umfragen (Auslosungen) die Toleranzen von +/- 5,2% für große Parteien und +/- 2,6% für kleinen einzuhalten vermögen. Aber 5% der Umfragen (Auslosungen) schaffen nicht einmal das. Mit andern Worten, in jeder zwanzigsten Umfrage (Auslosung) übersteigt der Fehler für eine große Partei +/- 5,2% oder für eine kleine Partei +/- 2,6%
Maximale Abweichung
|
eingehalten von | |
für große Parteien | für kleine Parteien | (in Prozent von 100000 Umfragen) |
1,0% | 0,5% | 3% |
1,2% | 0,6% | 6% |
1,4% | 0,7% | 9% |
1,6% | 0,8% | 14% |
1,8% | 0,9% | 19% |
2,0% | 1,0% | 25% |
2,2% | 1,1% | 32% |
2,4% | 1,2% | 39% |
2,6% | 1,3% | 46% |
2,8% | 1,4% | 52% |
3,0% | 1,5% | 59% |
3,2% | 1,6% | 65% |
3,4% | 1,7% | 70% |
3,6% | 1,8% | 75% |
3,8% | 1,9% | 79% |
4,0% | 2,0% | 82% |
4,2% | 2,1% | 85% |
4,4% | 2,2% | 88% |
4,6% | 2,3% | 90% |
4,8% | 2,4% | 92% |
5,0% | 2,5% | 94% |
5,2% | 2,6% | 95% |
5,4% | 2,7% | 96% |
5,6% | 2,8% | 97% |
5,8% | 2,9% | 98% |
>5,8% | >2,9% | 2% |