Der zeitliche Trend der Parteienstärken

Im "Politbarometer" des ZDF werden monatlich die Parteienstärken durch einen repräsentativen Querschnitt ermittelt, der jedesmal neu zusammengestellt wird. Es sind also nicht dieselben Befragten. In den Monaten Mai bis August 1986 ergab sich folgendes Bild (alle Angaben in %):

Mai Juni Juli August
SPD 44,0 46,0 43,0 43,0
CDU/CSU39,0 42,0 44,0 44,0
FDP 5,0 4,0 5,0 4,0
Grüne 12,0 8,0 8,0 9,0
In welchem Maße ist diese Befragung reproduzierbar? Was wäre herausgekommen, wenn man in denselben Monaten jeweils 1000 andere Wahlberechtigte, jeweils andere repräsentative Querschnitte befragt hätte? Diese Frage klingt zunächst hypothetisch. Die rein statistischen Effekte jedoch kann man simulieren.
Man nimmt an, die obigen Werte entsprächen exakt der Wirklichkeit, das heißt, die entsprechenden Anteile würden für die Gesamtheit aller Wahlberechtigten zutreffen, was im Politbarometer auch behauptet wird. Man nimmt also an, daß man von jedem Wahlberechtigten weiß, wie er bei einer hypothetischen Befragung durch das Politbarometer geantwortet hätte. Die Frage ist ja nur: Wie genau spiegeln sich diese Verhältnisse in beliebig herausgegriffenen repräsentativen Querschnitten wider?
Diese Querschnitte kann man vom Computer nach einem wirklichen Zufallsverfahren ziehen lassen. Hier sind die ersten drei Wiederholungen obiger Befragung, wie sie sich bei einem willkürlichen Start des Zufallsgenerators (Ranset von Cyber mit Startwert 0.12345) ergaben :

1. Wiederholung
Mai Juni Juli August
SPD 43,9 49,7 41,9 44,0
CDU/CSU40,4 38,4 46,0 41,9
FDP 3,7 4,2 4,7 4,6
Grüne 12,0 7,7 7,4 9,5
Die Abweichungen von den wahren Werten variieren zwischen -3,6% und + 3,7%.

2. Wiederholung
Mai Juni Juli August
SPD 43,5 46,3 41,8 40,8
CDU/CSU40,2 40,5 44,5 45,1
FDP 5,6 5,5 5,1 4,0
Grüne 10,7 7,7 8,6 10,1
Die Abweichungen von den wahren Werten variieren zwischen - 2,2% und + 1,5%.

3. Wiederholung
Mai Juni Juli August
SPD 45,9 46,6 43,9 40,9
CDU/CSU37,6 41,9 44,2 44,5
FDP 4,4 3,7 5,0 4,4
Grüne 12,1 7,8 6,9 10,2
Die Abweichungen von den wahren Werten variieren zwischen - 2, 1% und + 1,9%.

Wie man sieht, liegen die Werte keineswegs innerhalb von ±0,5%, wie es die Daten und vor allem ihre Analyse im ZDF suggerieren. Denn der Trend, daß beispielsweise die CDU die SPD überholt hätte, läßt sich nur dann erkennen, wenn man den Daten diese Genauigkeit unterstellt. In der ersten Wiederholung zum Beispiel scheint die SPD im August wieder deutlich die Führung Übernommen zu haben.

Oder sind die drei gezeigten Beispiele Ausreißer?
Wir haben die Ergebnisse einer Simulation von 100000 repräsentativen Querschnitten mit viermal 1000 Befragten analysiert. Bei jedem Querschnitt ermittelten wir zuächst die Spannweite, indem wir die größte Abweichung nach oben und die größte Abweichung nach unten zahlenmäßig addierten. Die obigen Beispiele haben Spannweiten von 7,3%, 3,7% und 4,0%.
Das Diagramm unten zeigt, wie die Spannweiten unter den 100000 Zufalls-Wiederholungen des "Politbarometers" verteilt sind. Zum Beispiel: Rund 2000 der 100000 Wiederholungen haben Spannweiten zwischen 2,4% und 2,6%. Die Hälfte allerWiederholungen hat Spannweiten von mehr als 4,4%. Ein Zehntel aller Wiederholungen liegt über 6,6% und eine von 20 Wiederholungen hat sogar eine Spannweite von 7,5% und mehr.

Dieses Ergebnis macht deutlich, wie weit die statistische Qualität der "Politbarometer-Befragung" davon entfernt ist, den behaupteten Trend aufzeigen zu können.

Die durch Simulation und teilweise (Kommazahlen) auch durch numerische Berechnung mit der Multinomialverteilung gewonnen Zahlen in der Tabelle zeigen noch detaillierter, wie die Abweichungen bezogen auf die einzelnen Parteien einzuschätzen sind. Es könnte ja sein, daß die Spannweite ein zu schlechtes Resultat zeigt, weil sie immer die größte negative beziehungsweise positive Abweichung der Wiederholungen herauspickt. Zwei verschiedene Betrachtungsweisen sind dabei verwendet worden :

Die Tabelle zeigt für diesen Fall (weiße Zeilen), daß nur 48,6% aller repräsentativen Querschnitte mit 1000 Interviews innerhalb dieses gestaffelten Spielraums liegen. Ausgangspunkt ist wiederum die Annahme, obiges "Politbarometer" träfe auf die gesamte Wahlbevölkerung zu.
Die Tabelle macht außerdem deutlich, daß Querschnitte mit größerem Umfang eine wesentlich bessere Qualität haben. Wegen der ungleich größeren Interview-Fehler hätten Umfragen mit 40000 oder gar 70000 Interviews allerdings wenig Sinn.

Erfolgs -Statistik von Wiederholungen des Politbarometers

Bandbreite in % bei
CDU/CSU SPD FDP Grüne
Anzahl der Interviews
1000 2000 10000 40000 70000
±0,5 ±0,5 ±0,5 ±0,5
±0,75 ±0,75 ±0,3 ±0,45
±0,75 ±0,75 ±0,75 ±0,5
±1,0 ±1,0 ±0,4 ±0,6
±1,0 ±1,0 ±1,0 ±1,0
±1,5 ±1,5 ±0,6 ±0,9
±1,5 ±1,5 ±1,5 ±1,5
±2,0 ±2,0 ±0,8 ±1,2
±2,0 ±2,0 ±2,0 ±2,0
±2,5 ±2,5 ±1,0 ±1,5
±2,5 ±2,5 ±2,5 ±2,5
±3,0 ±3,0 ±1,2 ±1,8
±3,0 ±3,0 ±3,0 ±3,0
±3,5 ±3,5 ±1,4 ±2,1
±3,5 ±3,5 ±3,5 ±3,5
±4,0 ±4,0 ±1,6 ±2,4
±4,0 ±4,0 ±4,0 ±4,0
±5,0 ±5,0 ±2,0 ±3,0
±5,0 ±5,0 ±5,0 ±5,0
0,000912 0,0198 8 75 95
0,000651 0,0284 16 96 nahezu 100
0,022 0,635 42 99 nahezu 100
0,020 0,409 55 nahezu 100nahezu 100
0,452 4,49 76 nahezu 100nahezu 100
0,778 9,01 96 nahezu 100nahezu 100
6,65 29,7 98 nahezu 100nahezu 100
6,67 38,5nahezu 100nahezu 100nahezu 100
24,7 63,3 nahezu 100nahezu 100nahezu 100
23,7 71,8nahezu 100nahezu 100nahezu 100
49,0 85,5 nahezu 100nahezu 100nahezu 100
48,6 90,6nahezu 100nahezu 100nahezu 100
70,7 96 nahezu 100nahezu 100nahezu 100
71,5 97,5nahezu 100nahezu 100nahezu 100
85,4 99 nahezu 100nahezu 100nahezu 100
86,5 fast 100nahezu 100nahezu 100nahezu 100
94nahezu 100nahezu 100nahezu 100nahezu 100
97,8 nahezu 100nahezu 100nahezu 100nahezu 100
fast 100nahezu 100nahezu 100nahezu 100nahezu 100

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