SPD hat Union erstmals überholt (?) |
Nach dem zweiten TV-Duell meldete die ARD (report aus München), daß die SPD die Union erstmals überholt hat. Die Meldung ging wie ein Lauffeuer durch die Medien. Die Umfragedaten vor und nach dem Duell stammen von infratest-dimap und sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt
Zeitpunkt | CDU/CSU | SPD | B'90/Grüne | FDP | PDS | Anzahl der Befragten |
vor dem Duell 6.Sept. | 39,5 | 38 | 7,5 | 8,5 | 4 | 2324 |
nach dem Duell 9.Sept. | 38 | 39 | 7,5 | 8,5 | 4 | 1000 |
Es sieht also so aus, als hätte die Union 1,5% verloren und die SPD 1%
zugelegt. Die andern Parteien blieben unverändert, die PDS weiter unter
der 5%-Hürde. Doch was sagt der Datenlieferant infratest-dimap tatsächlich
zu diesen Zahlen? Das kann man im Kleingedruckten
auf der Homepage von infratest-dimap nachlesen, teilweise kann man dies auch
in der Internet-Version
ARD (DeutschlandTREND) ausgraben. Übersetzt man die etwas technisch
gehaltenen Angaben in die Umgangssprache, dann wird dem Zuschauer/Leser Folgendes
mitgeteilt:
Für die erste
Umfrage wurden 2324 Telefon-Interviews durchgeführt, davon 1685 im
Westen und 639 im Osten. Die Telefonnummern wurden per Computer ausgelost. Für
die zweite Umfrage wurden 1000 Telefoninterviews gemacht - davon 700 im Westen
und 300 im Osten. Wegen der Auslosung der Telefonnummern sind die Umfrageergebnisse
nicht wirklich repräsentativ für alle Wahlberechtigten.
Durch die Auslosung entstehen nämlich Abweichungen von den tatsächlichen
Resultaten. Infratest dimap schätzt, daß diese Fehler für die
erste Umfrage bei den großen Parteien plus oder minus 2,2% betragen können,
und bei den kleinen plus oder minus 1%. Infratest-dimap behauptet also nicht,
daß die Union auf 39,5% kommt, sondern nur, daß sie wahrscheinlich
zwischen 37,3% und 41,7% liegt (39,5% plus oder minus 2.2%). Ebenso wird nicht
gesagt, daß die SPD auf 38% kommt, sondern nur, daß sie wahrscheinlich
zwischen 35,8% und 40,2% liegt (38 plus oder minus 2,2%). Mit welcher Wahrscheinlichkeit
diese vagen Aussagen zutreffen, wird aber nicht gesagt. Das Restrisiko wird
nicht spezifiziert, es ist aber weit von Null entfernt.
Für die zweite
Umfrage wurden viel weniger Wahlberechtigte ausgelost, nämlich nur
1000, was zu noch größeren Fehlern führt. Infratest gibt diese
mit plus oder minus 3,1% für die großen Parteien und mit plus oder
minus 1,4% für die kleinen an. Infratest verbürgt der Union also
nicht 38%, sondern lediglich, daß sie wahrscheinlich irgendwo zwischen
34,9% und 41,1% liegt. Mit anderen Worten, irgendwo zwischen himmelhoch jauchzend
und zu Tode betrübt. Die SPD sitzt im gleichen Boot und rudert händeringend
zwischen 35,9% und 42,1% hin und her.Viel Spaß!
In der folgenden Tabelle ist das aufgeführt, was nach Ansicht von infratest-dimap
effektiv an Information aus den beiden Umfragen herausgekommen ist, nämlich
nichts:
Zeitpunkt | CDU/CSU | SPD | B'90/Grüne | FDP | PDS | Anzahl der Befragten |
vor dem Duell 6. Sept. | 37,3 - 41,7 | 35,8 - 40,2 | 6,5 - 8,5 | 7,5 - 9,5 | 3 - 5 | 2324 |
nach dem Duell 9. Sept. | 34,9 - 41,1 | 35,9 - 42,1 | 6,1 - 8,9 | 7,1 - 9,9 | 2,6 - 5,4 | 1000 |
Fazit: Weder steht fest, daß die Union schwächer geworden ist,
noch daß die SPD zugelegt hat. Es könnte genau so gut umgekehrt gewesen
sein.
Und
die Moral von der Geschicht: Außer Spesen nichts gewesen. Das Unwissen
der Zahlen-Hungrigen ist nun einmal das Brot der Meinungsforscher.