Was bezweckt www.wahlprognosen-info.de?
Der Informationswert von Wahlprognosen und Trendaussagen im
Vorfeld einer Wahl wird kritisch hinterfragt. Dorothee
Pitz vom WDR hat es vor einem Viertel-Jahrhundert auf den Punkt gebracht:
"Zuverlässig und genau erscheinen die Wahlprognosen
der Meinungsforschungsinstitute, die uns pünktlich vor den anstehenden
Wahlen präsentiert werden. Die Prozentpunkte hinter dem Komma lassen kaum
einen Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Ergebnisse zu. Zahlen haben eben
ein besonderes Image. Der Status statistischer Meßmethoden wird kaum je
in Zweifel gestellt. Dabei ist der sogenannte "repräsentative Querschnitt"
nicht mehr als ein Zufallsprodukt, das ohne den Rückgriff auf vorhergegangene
Wahlen kaum einen Erkenntniswert besitzt. Ohne Gewichtung - keine Wahlprognose.
Auch der Interviewer selbst und die Umgebung der Befragung können eine
erhebliche Fehlerquelle darstellen und die Entscheidung des Interviewten beeinflussen.
Auch der völlig überraschende Wahlerfolg der Republikaner Anfang des
Jahres 1989 in Berlin wurde von den Meinungsforschungsinstituten nicht vorhergesagt.
An neuen politischen Erscheinungsformen scheinen die Prognosen zu scheitern.
Hätten wir in der Bundesrepublik nicht über Jahrzehnte hinweg ein
stabiles Parteiensystem gehabt, wäre dies wahrscheinlich schon früher
aufgefallen. Von solchen Fehlerquellen ist nie die Rede, wenn Umfrageergebnisse
publik gemacht werden. Was mich aber vor allem erschreckt, ist nicht die Fragwürdigkeit
der Wahlprognosen, sondern die Selbstverständlichkeit, mit der die Umfrageergebnisse
zahlengläubigen Wählern als das Abbild der Realität präsentiert
werden. Wichtig erscheint mir, mit den Zahlenergebnissen deutlich und transparent
zu machen, wie sie zustande gekommen sind und vor allem, wo ihre Aussagekraft
endet."
Um sich einen schnellen Überblick über die Kritik
an Wahlprognosen zu verschaffen, sollten zuerst die
Unter "Aktuelles" finden Sie Umfragen
von einigen Instituten zusammen mit einer Anleitung wie die Ergebnisse zu lesen
sind.
Im Archiv finden Sie eine Auswahl von Publikationen.
Auch Zeitungsberichte zum Thema Wahlprognosen und ältere Webseiten dieser
Website sind dort zugänglich.
Knackpunkte
(Download als PDF
):
- Umfrageergebnisse landen im Müll.
Die Meinungsforscher geben vor, sie würden repräsentativ
ausgesuchten Wahlberechtigten die Sonntagsfrage "Wie würden
Sie wählen, wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre?"
stellen und deren Antworten als Umfrageergebnis veröffentlichen. Das
ist irreführend. Denn die Antworten der ausgewählten Befragten sind
den Meinungsforschern suspekt und landen daher regelmässig im Müll.
Warum?
- Zwischen Umfrage- und Wahlergebnissen klaffen Welten
Wolfgang Gibowski, der lange Regie in der Produktionsstätte des ZDF-Politbarometers
führte, jammerte einmal im Handelsblatt:
- "Vergleicht man Umfrageergebnisse mit tatsächlichen
Wahlresultaten der Parteien bei Bundestagswahlen, dann stellt man verblüffende
Unterschiede fest"
- " Es ist unstrittig, dass Ergebnisse der Sonntagsfrage als tatsächliches
Wahlergebnis oft sehr unrealistisch wären"
- "Überhaupt sind Bundestagswahlergebnisse der letzten 20
Jahre recht stabil, stabiler jedenfalls als Umfrageergebnisse der Sonntagsfrage."
Die folgende Tabelle zeigt Wahlergebnisse der Bundestagwahlen 1998 - 2009
(mittlere Kolonnen) und die Umfrageergebnisse unmittelbar vor und nach
der Wahl, die von den hauseigenen Meinungsforschern des ZDF (sogenannte Forschungsgruppe
Wahlen) ermittelt wurden. .
|
Bundestagswahl 09
|
|
Bundestagswahl 05
|
|
Bundestagswahl 02
|
|
Bundestagswahl 98 |
Umfrage |
vorher
|
|
nachher
|
vorher
|
|
nachher
|
vorher
|
|
nachher
|
vorher
|
|
nachher
|
|
38% |
33,8% |
36% |
40% ! |
35,2% |
41% ! |
35% |
38,5% |
45% |
38% |
35,1% |
36% |
|
25% |
23,0% |
22% |
38% |
34,3% |
35% |
45% |
38,5% |
36% |
40% |
40,9% |
50% ! |
|
10% |
10,7% |
11% |
7% |
8,1% |
9% |
8% |
8,6% |
9% |
8% |
6,7% |
6% |
|
14% |
14,6% |
14% |
6% ! |
9,8% |
8% |
8% |
7,4% |
6% |
5% |
6,2% |
4% |
|
10% |
11,9% |
13% |
7% |
8,7% |
6% |
3% |
4,0% |
2% |
3% |
5,1% |
2% |
Diese Bilanz ist eine demoskopische Bankrotterklärung.
Weshalb sind Repräsentativ-Umfragen so hochgradig unrepräsentativ?
- Den "repräsentativen Querschnitt" gibt es gar nicht!
Die Vermarktung des "repräsentativen Querschnittes" als Abbild
aller Wahlberechtigten ist ein Etikettenschwindel der Meinungsforscher. Tatsächlich
werden die Befragten per Lotterie ausgewählt. Es werden Telefonnummern
ausgelost, die von Interviewern angerufen werden. Folglich hängt das
Ergebnis der Umfrage davon, welche Wahlberechtigte ausgelost werden. Durch
die Zufallsauswahl entstehen Fehler (Lotterieschäden), die bis
zu 5% und mehr betragen können. Dazu kommen Interviewfehler: Die
Ausgelosten sind nicht zu Hause. Wenn sie erreicht werden, verweigern sie
die Antwort, oder sie sind unentschlossen oder sie machen falsche Angaben,
usw. Die grosse Mehrheit der Angerufenen spielt bei Umfragen nicht mit. Diese
Fehlerquellen führen dazu, dass die Sonntagsfrage oft Parteistärken
liefert, mit denen sich die Demoskopen nicht an die Öffentlichkeit wagen
und die kein Medium veröffentlichen würde.
- Preis für die Lotterieauswahl.
Demoskopie-Konsumenten sind von den Medien und den Meinungsforschern zum
(Aber)Glauben erzogen worden, man könne mit einer Umfrage feststellen,
ob z.B. die Union zur Zeit bei 42% liegt, und nicht bei 41% oder 43%. Von
40% oder 44% ganz zu schweigen. Die Medien können und wollen nicht
eingestehen, dass man mit handelsüblichen Umfragen keine genauen (ganzen)
Prozentzahlen ermitteln kann, sondern nur absurd vage Bereiche wie
Union 37-47%, SPD 24-32%, Grüne 10-18%, FDP und PDS je 2-8%,
(Berechnungsgrundlage: etwa 1000 Befragte, davon etwa 600 mit feststehender
Parteipräferenz, statistische Sicherheit 95%). Noch aussichtsloser ist
die Situation beim Trend. Ob die Parteien von einer Umfrage zur nächsten
gleich geblieben sind, ein paar Prozente zugelegt oder verloren haben, kann
man unmöglich feststellen. Der reale Trend wird durch die Lotterieschäden
und Interviewfehler vollkommen entstellt. Der nach einem überraschenden
Wahlausgang ins Feld geführte Meinungsumschwung in letzter Minute ist
deshalb eine reine Schutzbehauptung der Meinungsforscher. Damit sollen Fehlprognosen
postum wegerklärt werden.
- Markante Sprünge
Am meisten liegt den Meinungsforschern auf dem Magen, dass von einer Umfrage
zur nächsten markante Sprünge in den Parteistärken auftreten,
die überhaupt nicht in die politische Landschaft passen. Das ist
eine zwangsläufige Folge der Zufallsauswahl. Nicht umsonst spricht man
von den Launen des Zufalls. Wird bei einer Umfrage eine Parteistärke
infolge Lotterieschäden nach unten verfälscht (z.B. 3% zu tief),
bei der darauf folgenden Umfrage aber nach oben (z.B. 4% zu hoch), dann führt
dies zu einem massiven Trendfehler (plus 7%). Dieses Phänomen war im
Frühjahr 2013 zu beobachten, als die Union unvermittelt 6% zulegte (von
42% auf 48%) und die SPD 5% absackte (von 31% auf 26%). In der darauf folgenden
Umfrage - ganze zwei Wochen später - war es dann umgekehrt. Die Union
verlor 8% (von 48% auf 40%) und die SPD legte um 5% zu (von 26% zurück
auf 31%). Ende Juni legte die Union plötzlich 5% zu und erreichte die
alleinige absolute Mehrheit mit 50%, während die SPD von 29% auf 25%
absackte. Zwei Wochen später stürzte dann die Union 6% ab, von 50%
auf 44%. Innerhalb kürzester Zeit ereigneten sich politische Erdbeben
und niemand wusste warum!
Wie helfen sich die Meinungsforscher aus der Patsche? Wie doktern sie die
Lotterieschäden und Interviewfehler weg?
- Vabanquespiel auf politische Stabilität: Wahlresultate werden fortgeschrieben.
Die Veränderungen der Parteistärken von einer Bundestagswahl zur
nächsten waren bisher geringfügig. Die Meinungsforscher spekulieren
daher darauf, dass das auch in Zukunft der Fall sein wird und gaukeln Kontinuität
vor. Das letzte Wahlergebnis wird kopiert und von Umfrage zu Umfrage (wenn
überhaupt) minimal abgeändert, d.h. meist um ±0% oder ±1%,
selten um ±2%. (Die zeitliche Entwicklung kann man bei wahlrecht.de/umfragen
für jedes Institut (Allensbach,
Emnid,
Forschungsgrupe
Wahlen, Forsa,
Infratest-dimap)
im Detail verfolgen. Nicht die tatsächlichen Umfrageergebnisse
und deren zeitliche Veränderungen werden veröffentlicht, sondern
das, was Kontinuität vortäuscht und plausibel erscheint. Das ist
Betrug. Überspitzt formuliert, aber auf den Punkt gebracht:
Anstatt den Ausgang der nächsten Wahlen mit der aktuellen Umfrage
vorauszusagen,
wird der Ausgang der aktuellen Umfrage mit dem letzten Wahlergebnis
vorausgesagt!
- Wahlprognosen sind Tipps von Meinungsforschern, die als Umfrageergebnisse
getarnt sind.
Wahlprognosen in Deutschland stellen eine Pervertierung des Grundgedankens
der Demoskopie dar. Es werden nicht Ergebnisse zur Sonntagsfrage zu Markte
getragen, sondern Tipps von Meinungsforschern, die als Umfrageergebnisse getarnt
sind.
- Trendmeldungen sind 100% fiktiv!
Das Auf und Ab der Parteistärken von Umfrage zu Umfrage, mit dem Medien
Schlagzeilen machen und Spalten füllen, entpuppt sich damit als reiner
Schwindel. Denn die in den Medien proklamierten geringfügigen Änderungen
meistens ±0% oder ±1%, selten ±2%
werden von den Meinungsforschern in eigener Regie festgelegt. Dabei
berücksichtigen sie politische Ereignisse seit der letzten Umfrage. Bei
guter bzw. schlechter Nachrichtenlage wird Pi mal Daumen nach oben bzw. unten
korrigiert. Im Klartext: Meinungsforscher verwursten politische Ereignisse
zu Prozentzahlen. Das wirft die
- Frage nach dem "Huhn und Ei"
auf. Was war zuerst? Politische Ereignisse oder Umfragewerte? Politische
Ereignisse können eine Veränderung der Parteistärken bewirken,
die mit Umfragen ermitteln sollten. Weil das infolge Lotterieschäden
unmöglich ist (die aus mathematisch-statistischen Gründen unvermeidbar
sind), machen es die Demoskopen umgekehrt und zäumen das Pferd am Schwanz
auf: Sie passen untaugliche Umfragewerte an die politische Nachrichtenlage
an!
- Demoskopen sind keine unabhängigen Berichterstatter, sie schummeln
alle auf die gleiche Weise.
Resultat: Kollektive Fehlprognosen.
Die Fortschreibungsmethode führt dazu, dass die verschiedenen Institute
"Umfrageergebnisse" liefern, die sich wie ein Ei dem andern gleichen.
Das erweckt beim naiven Betrachter das Gefühl von Vertrauenswürdigkeit:
"Wenn unabhängige Zeugen dasselbe berichten, dann muss es wohl
stimmen". Aber das ist ein Trugschluss. Denn bei der Zunft der Meinungsforscher
handelt es sich nicht um unabhängige Zeugen, sondern um politische
Klatschtanten, die unter einer Decke stecken und alle auf die gleiche Weise
zirpen. Das führt nicht selten zu kollektiven Fehlprognosen, alle Demoskopen
über- oder unterschätzen die gleiche Partei. Das hat man 2003 in
Bremen gesehen und im Superwahljahr 2004 reihenweise. Mit Schleswig-Holstein
und der Bundestagswahl 2005 wurde ein (vorläufiger) Höhepunkt erreicht.
- Kartell des Schweigens - Zahlenprostitution
Das demoskopische Elend kann von den Demoskopen und den Medien nicht eingestanden
werden. Einerseits werden Wahlprognosen von den Demoskopen als Aushängeschild
und Gratisreklame für das kommerzielle Umfragegeschäft
eingesetzt, welches finanziell weit wichtiger ist. Andererseits liefern Umfragen
den Medien das Pulver für Schlagzeilen und das Füllmaterial für
Spalten. Um nackte Zahlen herum lassen sich tolle Geschichten spinnen. Die
Medien denken nicht im Traum daran, sich ihr Umfrage-Spielzeug wegnehmen zu
lassen. Eine objektive Berichterstattung ist somit ausgeschlossen. Von Zuhältern
wird auch keine Kritik an der Prostitution erwartet, eher ein Plädoyer
für Gewerbefreiheit. So ist es nur logisch, dass die Qualität der
deutschen Demoskopie in den Medien unermüdlich besungen wird, an Bänkelsängern
fehlt es bekanntlich nie. Eine lockere Seilschaft von Demoskopen, Schreiberlingen
und Plaudertaschen sorgt dafür, dass die (Wahn)Vorstellung vom repräsentativen
Querschnitt als Miniaturbild erhalten bleibt, und der aufgetischte Zahlensalat
ohne Schluckbeschwerden verschlungen wird.
Mehr als viele Worte aber bringt das Erlebnis, Wahlumfragen wie ein Computerspiel
am eigenen Computer selbst durchzuführen. Mit
Hilfe einer Computersimulation kann man die Auswirkungen der Zufallsauswahl
auf Umfrageergebnisse demonstrieren: Mit einer handelsüblichen Umfrage
von 500 bis 2000 Interviews kann man mit der Sonntagsfrage keine relevanten
Aussagen über die momentanen Parteistärken machen. Je nach dem,
welche Wahlberechtigten ausgelost wurden, kommen ganz andere Ergebnisse heraus.
Deshalb kann man damit nicht herausfinden, ob die CDU bei 40% liegt und die
SPD bei 38%. Ebensowenig, daß die Grünen auf 6% kommen und die
FDP auf 8%. Ganz zu schweigen von der PDS und der 5%-Hürde. Eine Umfrage
ist ein sehr grobes und ungenaues Meßinstrument. Man kann mit einem
Zollstock auch keine Millimeter-Bruchteile messen wie mit einer Schieblehre.
Aber genau das täuschen die Meinungsforscher und die Medien vor. Sie
tun so, als könnten sie genaue Prozentzahlen ermitteln. In Wirklichkeit
können sie nur grobe Schätzungen machen, für die sich angesichts
der bisherigen Stabilität der Kräfteverhältnisse kein Mensch
interessieren würde.
Erleben Sie die Launen des Zufalls
bei der Sonntagsfrage an Ihrem Computer!
Noch eindrücklicher ist die Auswirkung der Zufallsauswahl
auf Trendaussagen. Alle wollen wissen, wie sich die Parteistärken in
der heißen Phase des Wahlkampfes ändern. Wer legt zu, wer verliert?
Über jedes Prozent auf und ab wird heiß debattiert, nach Gründen
gesucht und literweise Tinte vergossen. Nur über eines wird nicht diskutiert:
Die Auswirkungen der Zufallsauswahl auf den Trend. Mit handelsüblichen
Umfragen läßt sich der Trend gar nicht bestimmen. Je nach dem, welche
Wahlberechtigten für die aktuelle Umfrage und für die vorausgegangene
Umfrage ausgelost wurden, entstehen völlig unterschiedliche Trends. Allein
die durch die Zufallsauswahl bedingten Lotterieschäden belaufen sich für
große Parteien bis zu 6% und für kleine bis zu 3%. Das heißt
nicht, daß für alle 5 Parteien solche Lottereischäden
auftreten, sondern nur für mindestens eine, m.a.W. entweder für
eine große Partei bis zu 6% oder für eine kleine bis zu 3%.
Die am häufigsten vorkommenden Lotterieschäden beim Trend betragen
etwa 3% für eine große Partei oder 1.5% für eine kleine
(siehe Grafik in "Der Ablaßhandel mit
den Prozentzahlen). Die Verteilung dieser Lotterieschäden nach ihrer
Größe kann man sich mit der Simulation "Mißerfolgsstatistik
für Trends" vor Augen führen.
Die Zufallsauswahl sorgt also auch dann für Schlagzeilen, wenn sich tatsächlich
nichts geändert hat. Und die tatsächlichen Trends werden durch die
Zufallsauswahl bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Was sich in Wirklichkeit abspielt,
das weiß kein Mensch. Die von den Meinungsforschern kolportierten Trends
über das Auf und Ab im Wahlkampf sind mit an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit
(über 99%) falsch sind. Erleben Sie
die Launen des Zufalls bei den Trends an Ihrem Computer!
Technische Informationen:
- Wählen Sie als Bildschirmauflösung 1024 mal 768 Pixel! Bei 800
mal 600 Pixel muß laufend gescrollt werden. Das macht die Simulation
sehr mühsam.
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